Die Urkundenfälschung und der richtige Umgang mit Ermittlungsbehörden

Sie werden einer Urkundenfälschung verdächtigt? Rechtsanwalt Steffen Dietrich beantwortet die wichtigsten Fragen zur Urkundenfälschung und gibt Verhaltenstipps für den weiteren Verfahrensgang.

Ich werde einer Urkundenfälschung verdächtigt. Was wirft man mir genau vor?

Gemäß § 267 StGB kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bestraft werden, wer zur Täuschung im Rechtsverkehr

  • eine unechte Urkunde herstellt
  • eine echte Urkunde verfälscht oder
  • eine unechte oder gefälschte Urkunde gebraucht

Werden Sie einer Urkundenfälschung nach § 267 StGB verdächtigt, geht die Ermittlungsbehörde davon aus, dass sie zumindest eine der drei genannten Tathandlungen vorgenommen haben.

In meinem Fall geht es um ein Schulzeugnis. Gilt das etwa auch als Urkunde?

Grundsätzlich ja. Die Urkunde wird gemeinhin als „verkörperte menschliche Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt“, definiert. Sie hat also

  • Perpeturierungsfunktion (Verkörperung der Gedankenerklärung)
  • Beweisfunktion (Urkunde als Beweismittel im Rechtsverkehr) und
  • Garantiefunktion (durch Erkennenlassen des Ausstellers).

Auf einem Zeugnis sind Zensuren als menschliche Gedanken auf dem Zeugnispapier verkörpert, Sie können mit dem Zeugnis z. B. in einem Bewerbungsverfahren ihre schulischen Leistungen dokumentieren und das Zeugnis enthält auch den Namen Ihrer Schule. Ein Zeugnis ist somit eine Urkunde. Weitere Beispiele für Urkunden sind Verträge, Ausweise, Schecks, Rezepte vom Arzt oder Klausuren.

Sind nachgemachte Stempelaufdrucke / offensichtlich unechte Ausweise / anonyme Briefe etc. auch Urkunden?

Man muss bei jeder vermeintlichen Urkunde gesondert feststellen, ob es sich wirklich um eine solche handelt. Abgesehen von der oben genannten Definition gibt es keine Faustformel. Nur wenn Ihre „Urkunde“ Perpetuierungs-, Beweis- und Garantiefunktion hat, kann man von einer Urkunde sprechen (s.o.). Freilich ist hier im Einzelfall juristische Argumentation gefragt.

Für die genannten Beispiele gilt:

Nachgemachte Stempelaufdrucke, um z. B. kostenlos in einen Club zu kommen, sind (unechte) Urkunden, weil sie den vermeintlichen Aussteller erkennen lassen, auf der Haut für eine gewisse Zeit verkörpert sind und als Nachweis darüber genutzt werden könne, man habe den Eintrittspreis bereits bezahlt.

Offensichtlich unechte Ausweise sind keine Urkunden, da sie nicht als Beweis im Rechtsverkehr verwendet werden können. Anonyme Brief lassen den Aussteller nicht erkennen. Sie sind ebenfalls keine Urkunden.

Können Sie mir noch ein anschauliches Beispiel für den Streit um die Urkundeneigenschaft geben?

In vielen Bars und Kneipen ist es üblich, die Zahl der getrunkenen Biere auf dem Bierdeckel durch Striche zu notieren. Es kommt gelegentlich vor, dass der Gast nach einem langen Zechabend über die vielen Striche auf seinem Bierdeckel derart verwundert ist, dass er beginnt, die Striche wegzukratzen oder anderweitig verschwinden zu lassen, und so die Zeche zu prellen. Stellte der Bierdeckel eine Urkunde dar, wäre in diesen Fällen ein Verfälschen einer echten Urkunde zu bejahen und die Strafbarkeit gegeben.

Ursprünglich hat das Reichsgericht (RG v. 23. 12. 1914 – V 871/14, DStrZ 1916, 77) die Urkundeneigenschaft des Bierdeckels bejaht. Mittlerweile ist aber anerkannt, dass der Bierdeckel mitsamt seinen Strichen zwar eine dem Wirt zurechenbare Erklärung enthält, diese aber kaum einem bestimmten Gast zugeordnet werden kann und somit nicht rechtserheblich ist.

Der Bierdeckel wäre also dann eine Urkunde, wenn man ihn am Gast fixieren könnte. Dies ist jedoch in den meisten Bars und Kneipen unüblich.

Wie habe ich die Tathandlungsalternativen Verfälschen einer echten Urkunde, Herstellen einer unechten Urkunde und Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde zu verstehen?

Das Verfälschen einer echten Urkunde erfordert die Veränderung der gedanklichen Erklärung in eine andere. Vor und nach dem Verfälschen muss eine Urkunde vorliegen, die erst durch das Verfälschen ihre Beweisrichtung ändert. Das bedeutet, dass vor dem Verfälschen mit der Urkunde die eine Information bewiesen werden soll und nach dem Verfälschen eine andere.

Eine Urkunde verfälscht unter anderem, wer einen Parkschein so überklebt, dass er eine neue Parkdauer anzeigt.

Das Herstellen einer unechten Urkunde ist das Ausstellen mit dem Ansehen, als sei sie von einer anderen Person ausgestellt, mithin echt. Es wird keine vorhandene Urkunde verändert, sondern eine neue hergestellt und dabei über die Person des Ausstellers getäuscht; z. B. beim Ausdrucken eines Arbeitszeugnisses auf einem fremden Kopfbogen.

Das Gebrauchen einer unechten oder verfälschten Urkunde schließlich bedeutet, die Falschurkunde der sinnlichen Wahrnehmung des zu Täuschenden zugänglich zu machen. Das kann durch Übergeben, Hinterlegen, Vorlegen oder auch Verlesen geschehen. Wichtig ist nur, dass der zu Täuschende in die Lage versetzt wird, von der Urkunde tatsächlich Kenntnis zu nehmen.

Liegt keine der drei genannten Tathandlungsalternativen vor, scheidet eine Strafbarkeit nach § 267 StGB aus.

Sie schreiben, dass eine Urkundenfälschung nur dann vorliegt, wenn ich den Zweck verfolge, mit der Urkunde „im Rechtsverkehr zu täuschen“. Was ist damit gemeint?

Neben dem grundsätzlich erforderlichen Vorsatz verlangt der Gesetzgeber, dass Sie zur Täuschung im Rechtsverkehr handeln. Dies lässt sich bejahen, wenn Sie erreichen wollen, dass ein anderer die Urkunde für echt hält und durch diese irrige Annahme zu einem rechtlich erheblichen Verhalten (Tun oder Unterlassen) bestimmt wird. Sie müssen also irgendwie mit der Urkunde auf das Rechtsleben einwirken wollen, um sich strafbar zu machen.

Beispiele: Sie zeigen einen gefälschten Ausweis vor, um sich unberechtigt Zutritt zu einer Einrichtung zu verschaffen. Wer sich hingegen mit einem gefälschten Ausweis „jünger macht“, weil er sich bei seinem Gegenüber in Liebesdingen bessere Chancen ausrechnet, will nicht im Rechtsverkehr täuschen.

Welche Rechtsfolgen drohen?

Die Urkundenfälschung wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ich habe einen Brief von der Polizei erhalten, in dem ich zur Beschuldigtenvernehmung geladen werde - Was soll ich tun?

Wenn die Polizei Sie schriftlich zur Beschuldigtenvernehmung lädt, sollten Sie der Aufforderung grundsätzlich nicht nachkommen. Als Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren müssen Sie gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nicht aussagen.

Aus diesem Grund sollten Sie keinerlei Angaben zum Tatgeschehen machen. Schweigen stellt kein Schuldeingeständnis dar! Vielmehr sollten Sie umgehend einen im Strafrecht versierten Rechtsanwalt aufsuchen. Dieser wird als erstes Akteneinsicht nehmen. Anhand des Akteninhaltes kann man dann entscheiden, ob eine Einlassung abgegeben werden soll.

Regelmäßig habe ich vor mir Mandanten sitzen, die sich nicht an diese Empfehlung gehalten haben. Statt dessen räumten Sie unbewusst gegenüber den Polizeibeamten ein, die Urkundenfälschung begangen zu haben.

Häufig stelle ich bei der späteren Akteneinsicht fest. dass ohne die Einlassung ein Tatnachweis nicht möglich gewesen wäre.

Vor allem, wenn wegen des Vorwurfs des Gebrauchens einer unechten oder verfälschten Urkunde ermittelt wird, kommt es häufig vor, dass erst die - ohne Mitwirkung eines im Strafrecht versierten Rechtsanwalts abgegebene - Einlassung des Beschuldigten den Tatvorwurf beweisen kann.

Mein Mann wird einer Urkundenfälschung verdächtigt. Ich wurde von der Polizei zur Zeugenvernehmung geladen. Sollte ich hingehen?

Nein. Als Angehöriger eines Beschuldigten steht Ihnen ebenfalls ein Auskunftsverweigerungsrecht zu. Das gilt nicht nur für (ehemalige) Ehegatten, sondern auch für (ehemalige) Lebenspartner, Verlobte und für alle, die in gerader Linie mit dem Beschuldigten verwandt oder verschwägert sind, bzw. in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt und bis zum zweiten Grad verschwägert sind.

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Diese Internetseite kann lediglich einen Überblick über das Delikt der Urkundenfälschung und den Umgang mit den Ermittlungsbehörden geben. Sollten Sie eine Frage zu Ihrem konkreten Fall haben oder Sie benötigen einen Verteidiger, dann vereinbaren Sie unter den angegebenen Kontaktdaten einen Beratungstermin.